Wenige Stunden vor der Corona-Bund-Länder-Konferenz veröffentlicht Deutschlands höchstes Gericht sein Urteil zur „Bundesnotbremse“ und zu Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen.
Die Verfassungsbeschwerden werden „verworfen“ bzw. „zurückgewiesen“. Die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen seien „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere (…) verhältnismäßig“ (Pressemitteilung des Gerichts vom 30.11.2021).
Von den verschwurbelten Leitsätzen des Urteils dürfte für Nichtjuristen nur der letzte Satz (Leitsatz 3c) interessant sein – und selbst dieser klingt tautologisch: „Umfassende Ausgangsbeschränkungen kommen nur in einer äußersten Gefahrenlage in Betracht.“ Wann auch sonst?
Ein Kommentar von RA Alexander Heumann
I. Das Urteilsergebnis wird nur wenige überraschen, nachdem die beteiligten Richter zuvor im Kanzleramt dinierten und sinnierten. Aber seine Begründung verdient Aufmerksamkeit: sie ebnet Impfzwang und gehässigsten Diskriminierungen von Ungeimpften den Weg, weil rote Linien nicht einmal angedeutet werden.
Die Bundesnotbremse war nur von April bis Juni 2021 in Kraft. Dennoch dürfte das Urteil „Leitcharakter“ haben. Gerichtspräsident Stephan Harbarth hatte im ZDF gesagt, es gehe zwar nur um „ein bestimmtes Gesetz zu einem bestimmten Zeitpunkt.“ Aus den Begründungen ergäben sich aber üblicherweise „Hinweise für Folgefragen, (…) etwa für kommende Pandemien oder für Maßnahmen in der gegenwärtigen Pandemie für die kommenden Monate“ (Tagesschau.de, 30.11.2021).
II. Das Gericht schätzt die Coronavirus-Pandemie als „äußerste Gefahrenlage“ ein und stellt sie dadurch mit früher sogenannten „Seuchen“ wie Pocken, Ebola oder Cholera in eine Reihe.
Es orientierte sich wissenschaftlich einseitig – an den üblichen Panikmachern wie RKI & Co., womit das Ergebnis von vornherein feststand. Wie schon bei der Karlsruher Entscheidung zum „Klimaschutz“, die man auf Prämissen des UNO-„Klimarats“ aufbaute – ohne Mut, sich seines eigenen Verstandes unabhängig davon zu bedienen.
„Während des Gesetzgebungsverfahrens waren (…) fachliche Stellungnahmen zu allen relevanten Fragen öffentlich verfügbar und wurden breit diskutiert“. Jedoch: „Belastbare Erkenntnisse, wonach nur geringe oder keine Gefahren für Leben und Gesundheit durch eine Infektion oder nur geringe oder keine Gefahren auch durch Überlastung des Gesundheitssystems vorlägen, waren (…) nicht vorhanden.“
Das wird vom Gericht nicht weiter begründet. Kurz: Experten, die vom Bundestag nicht angehört wurden bzw. Argumente, die sich dort nicht durchsetzen konnten, gelten dem Verfassungsgericht als unbeachtlich. Eine sachverständige Prüfung erfolgte in Karlsruhe nicht.
Das Gericht hat die Grundannahmen, auf denen die Coronapolitik fußt, nicht hinterfragt, sondern eins zu eins abgekauft:
1. Positive PCR-Tests weisen stets Covid-Erkrankung und Ansteckungsgefahr für die Mitmenschen nach.
[s. aber: Das ganze Corona-Kartenhaus fußt auf fragwürdigen PCR-Tests! | Heumann: Politik – Deutschland – Europa (heumanns-brille.de)]
2. „An oder mit Corona“ hospitalisiert bzw. verstorben? Kann offen bleiben! Selbst Verkehrsunfall-Verletzte, die im Krankenhaus auf Corona getestet werden, gelten Presseberichten zufolge als „Coronapatienten“.
3. Die vielen „Coronapatienten“ führen zur Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen – und nicht etwa der selbst im Pandemiejahr 2020 erfolgte Rückbau von Personal und ca. 10.000 Intensivbetten!
Ab jetzt liegt die 100-seitige Bibel zum Coronarecht auf dem Tisch. Die Entscheidung erging einstimmig, ohne abweichendes richterliches Minderheitsvotum.
III. Was grundsätzlich bei der Karlsruher Judikatur der letzten Jahre irritiert: Bei Coronavirus-Pandemie und Klimakrise stellt sein erster Senat „vorsorgende“ bzw. generationsübergreifende Schutzpflichten des Staates heraus, die sein zweiter Senat in der seit 2015 andauernden Migrationskrise für unbeachtlich hielt. Siehe hierzu: Totengräber der Demokratie: Das Schweigen des Bundesverfassungsgerichts zur Flüchtlingspolitik | Heumann: Politik – Deutschland – Europa (heumanns-brille.de)
(wird fortgesetzt).