„Ze.tt“ ist ein Ableger von „Zeit“-Online, der sich an die jungen Lesenden und Leser:innen richtet. Bei „Ze.tt“ findet der junge Mensch alle Antworten auf die Fragen, die er während der Pubertät so hat. Nicht nur interessiert er sich dafür, warum Pickel gelb sind und einen roten Rand haben, sondern sein Interesse ist breiter gefächert. So will er zum Beispiel unbedingt wissen, warum das Frauenbild in Entenhausen so altbacken ist. Entenhausen ist der Wohnort von Donald Duck, Micky Maus und Gustav Gans. Marius Fuhrmann versuchte sich an einer Antwort. Die Medienkritik.
von Max Erdinger
Donald Duck, Micky Maus und Gustav Gans wurden erfunden von Carl Barks, dem legendären Zeichner von Disney-Figuren. Das ist lange her, bald schon achtzig Jahre. Vor etwa drei Jahren fiel jedoch auf, daß in dem Ort Entenhausen, den Carl Barks als Wohnort für seine Figuren dazuerfunden hat, ein etwas altbackenes Frauenbild herrscht. Ob es sich wohl um Frauenfeindlichkeit handelt? Dieser eminent wichtigen Frage ging ein Experte von außerhalb auf den Grund, einer, der nicht von Carl Barks erfunden worden ist. Sein Name ist Marius Fuhrmann. Für die „ze.tt“-Lesenden und Leser:innen ist er einfach „der Marius“.
Der Marius, heißt es bei „ze.tt“ zu seiner Person, ist einer, der beim Studium etwas bemerkt hat. Und zwar hat er bemerkt, daß er dann am besten ist, wenn er tun kann, was er will. Deswegen beschäftige sich der Marius auch am liebsten mit Meinungen jenseits des politischen Konsens´ und frage sich, warum manche Menschen zu wenig nachdenken. Ob der Marius wohl der richtige gewesen ist, um herauszufinden, warum manche Menschen zu wenig nachdenken? Das ist auch eine berechtigte Frage. Der Marius sieht nämlich aus, als wäre er noch keine dreißig Jahre alt, weswegen man für möglich halten muß, daß er einer jener jungen Menschen sein könnte, die ohne Google nicht mehr wissen, wer die Stoiker und der letzte DDR-Staatsratsvorsitzende gewesen sind. Weil sie zu solchen Opfern sozialdemokratistischer Bildungsreformen wurden, daß sie die Hellenen für Leute halten, die bei Dunkelheit das Licht einschalten. Wir werden sehen.
Warum ausgerechnet Entenhausen?
Der Marius hätte sich freilich auch mit der Frage beschäftigen können, ob das Frauenbild in alten deutschen Märchen etwas altbacken ist. Da hätte er nicht bis nach Entenhausen in Amerika schauen müssen. Immerhin gibt es bei „Frau Holle“ die Pechmarie und die Goldmarie; es gibt die Mutter, die „Hänsel & Gretel“ in den Wald schickte, damit sie sich dort verlaufen sollen und nie wieder nachhause zurückfinden; es gibt die böse Königin in „Schneewittchen“; es gibt die nimmersatte, gierige Frau des Fischers in „Der Fischer und seine Frau“. Ganz klar: Die dummen Menschen von früher hatten kein richtiges Frauenbild, sondern ein altbackenes. Das liegt daran, daß zu ihren Zeiten der Fortschritt noch nicht erfunden gewesen ist. Ohne Fortschritt gibt es nämlich kein richtiges Frauenbild. Mit dem Fortschritt allerdings, der zu Carl Barks´ Glanzzeiten in den Vierziger und Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bereits weit fortgeschritten war, kam auch das richtige Frauenbild zum Vorschein. Weshalb dann im Jahr 1953 die Zeitschrift „Playboy“ gegründet wurde. In der Heftmitte gab es das sogenannte „Centerfold“. Das ist ein ausklappbares, großes Bild von einer richtigen Frau gewesen. In Farbe. Schluß mit „altbacken“.
Aber gut, was ist dem Marius an den weiblichen Carl-Barks-Figuren von Entenhausen aufgefallen? Das hier: Es handelt sich um „Weibliche Figuren mit typisch weiblichen Eigenschaften„. – und das ist ganz falsch, weil es in den „lustigen Taschenbüchern“, in denen die gezeichneten Geschichten aus Entenhausen mit deutschen Sprechblasen erscheinen, noch nie ein ausklappbares Großbild von einer leicht bekleideten Daisy oder einer lasziv sich räkelnden Minnie Maus gegeben hat.
Altbacken
Der „ze.tt“-Marius: „Gewinnt Oma Duck einen Backwettbewerb, ist ihre Konkurrenz ausschließlich weiblich.“ – ob der Marius wohl gedacht hat, daß man es „altbacken“ nennt, wenn die Oma einen Backwettbewerb gewinnt? – „Im Krankenhaus arbeiten Frauen nur als Pflegerinnen und Männer als Ärzte.“ – pah, „Pflegerinnen“. Das sind Krankenschwestern. Es ist völlig normal und hat mit „altbacken“ überhaupt nichts zu tun, daß nur Frauen als Krankenschwestern arbeiten. Männer müssen schließlich nur deswegen als Ärzte arbeiten, weil der Krankenbruder bei allem Fortschritt noch immer nicht erfunden worden ist. Daß es den Krankenbruder nicht gibt, das ist „altbacken“. – „Treffen Daisy Duck oder Minnie Maus ihre Freundinnen, sitzen sie mit dicken, Hüte und Handtaschen tragenden Klatschweibern am Tisch, die scheinbar nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag Kaffee zu trinken„. – gut, allerweil ist das wirklich etwas altbacken, weil fortschrittlicher Lockdown ist. Im fortschrittlichen Lockdown sitzen die dicken Klatschweiber alleine am Kaffeetisch und haben ihre Freundinnen durch richtige Frauenzeitschriften ersetzt, die ihnen genau den Klatsch liefern, den sie früher von den anderen dicken Klatschweibern erzählt bekommen hätten. Kleinigkeit, nicht der Rede wert. – „Viele, oft namenlose, weibliche Nebenfiguren sehen genauso aus: Kleider und Röcke bestimmen den Dresscode, eine brave Schleife im Haar macht sie häufig zum bloßen, berufslosen Beiwerk ihrer erfolgreichen Ehemänner. Die Farbe Rosa dominiert häufig ihre Kleidung.“ – Und das ist keinesfalls „altbacken“, weil heutige Frauen, die gerne ein fortschrittliches „Centerfold“ wären, ebenso gern berufsloses Beiwerk von erfolgreichen Männer sind wie in präfortschrittlichen Zeiten. Nur wäre früher keiner auf die Idee gekommen, das Bild, das sie dabei von sich bieten, als „altbacken“ zu bezeichnen. Und wenn der „ze.tt“- Marius meint, daß die Farbe rosa für Damenoberbekleidung etwas altbacken sei, dann würde meinereiner gern von ihm wissen, ob er die Farbe lila bei Frauenhaar für fortschrittlich hält. Welche Farbe hat der Fortschritt überhaupt?
Der Fortschritt
Egmont-Ehapa ist ein Lizenznehmer von Disney. Auch, wenn neue Geschichten aus Entenhausen bisweilen in Deutschland erfunden werden, hat Disney immer ein Wörtchen mitzureden. Da nun Oma Duck als eine liebenswürdige alte Dame etabliert ist, lasse sich das auch nicht mehr fortschrittlich ändern, schreibt der Marius bei „ze.tt“. Aber manche der alten Geschichten würden wegen ihrer fehlenden Fortschrittlichkeit auch gar nicht mehr veröffentlicht: „Wenn Dagobert auf eine einsame Insel fährt und auf Eingeborene trifft, die sehr einfältig sind, keine normale Sprache sprechen und nur Menschen fressen wollen – das war eine Zeit lang eine schöne Abenteuergeschichte, heute geht das nicht mehr.“ – nicht schlimm, dafür geht nämlich Fortschritt: Einfältige Eingeborene, die keine normale Sprache sprechen und nur Menschen fressen wollen, werden einfach nicht mehr erwähnt. Ist das wirklich Fortschritt? Wenn das mal keine altbackene Diskriminierung von einfältigen Eingeborenen darstellt, die noch schlimmer ist, als ein altbackenes Frauenbild, dann weiß ich auch nicht. Als ausgewiesener Fortschrittfreund und erbitterter Gegner des Altbackenen bin ich der festen Überzeugung, daß man das Bild vom einfältigen Eingeborenen genauso wenig unter den Tisch fallen lassen darf, wie das von der fortschrittlichen Frau. Denn selbst der Einfältigste kann erkennen, wenn er benachteiligt wird. So viel Leid auf dieser Welt. Benachteiligung ist total altbacken.

Jedenfalls steht fest, daß die bedauernswerten Kinder von heute durch die Lektüre von „ze.tt“ auch nicht klüger werden. Noch nicht einmal dann, wenn ihnen der Marius eine Stadtführung in Entenhausen angedeihen läßt, obwohl er damit doch nur das tut, was er am besten kann. Was der Marius wohl gar nicht tut, weil er es überhaupt nicht kann? Um eine zutreffende Antwort auf diese Frage zu finden, müsste man vermutlich „altbacken“ sein. Dann wüßte man nämlich noch, daß „selberdenken“ in – und zeitgeistigen Blödsinn nachzuplappern out ist.